Na, in den Ferien wieder Beziehungszoff?
Statistisch ist es mit den Streitereien ähnlich wie an anderen besonderen Tagen im Leben eines Paares. Viele geraten aneinander. Warum ist das so und was kann man dagegen tun?
Sie geschehen, weil die Erwartungen nach Harmonie und einem guten Miteinander an den „hohen“ Tagen (Urlaub, Feiertage, Festtage) besonders hoch sind. Viele wollen jetzt endlich etwas von dem bekommen, was im Alltag fehlt oder zu wenig da ist. Leicht zu erklären mit stressigen Arbeitstagen, vollgestopftem Alltag und gehetztem aneinander vorbei sprinten.
Wenn beide Seiten aber so hohe Erwartungen haben, wieso gelingt es dann nicht? Vielleicht weil beide etwas Anderes erwarten? Frieden und Harmonie wollen doch alle, so verschieden kann es doch gar nicht sein, sollte man annehmen. Aber im Detail ist es dann doch verschieden, wenn „sie“ einen Strandspaziergang machen möchte und „er“ unter Frieden und Harmonie versteht, sich nur im Pool herumzudrücken oder nur sein Buch weiterlesen zu wollen. Oder „er“ will einen Ausflug machen und „sie“ hat keine Lust auf diese Last.
Natürlich könnte man sich doch einigen, vielleicht ein Nacheinander installieren oder einfach mal was getrennt machen? Wieso finden viele keine Lösung?
Weil das Problem etwas mit dem Unbewussten zu tun hat. Denn das, was zur Dissonanz und vielleicht noch zum Streit führt, sind nicht die bewussten (formulierten oder gedachten) Erwartungen, sondern unbewusste Themen. Solche, die beide schon aus ihrer Kindheit mitbringen.
Häh? Kindheit? So ein Quatsch! Die ist Ewigkeiten vorbei und außerdem hatte ich eine großartige Kindheit. Das einzige Problem besteht doch nur darin, dass mein Partner (meine Partnerin) so…
Ja, reden Sie/denken Sie nur weiter, aber hören Sie sich bitte dabei auch selber zu. Denn genau in dem was Sie jetzt sagen/denken, drücken sich Gedanken und Empfindungen aus, die Sie aus ihrer Kindheit mit herüber genommen haben. Auch wenn die lange vorbei ist, sind Menschen das Produkt ihrer Kindheit, ganz egal wie gut oder schlecht diese gelaufen ist. Und wenn Sie wissen wollen was sich da aus ihrer Kindheit in ihrem Leben niederschlägt, brauchen Sie sich nur zuzuhören, wenn Sie über die problematischen Situationen mit Ihrem Partner/Ihrer Partnerin schimpfen.
Zum Beispiel kommt da so etwas von ihr: „Er denkt immer nur an sich selbst, es ist ihm zu viel mir mal einen Gefallen zu tun…ich bin ihm wohl nicht wichtig genug.“ Das Kindheitsthema da hinter: Sie musste vermutlich auf vieles verzichten und hat daraus geschlossen, nicht wichtig zu sein.
Oder er beschwert sich: “Noch ein Programmpunkt und noch einer und noch einer, nie kommen wir mal zur Ruhe.“ Und wenn ich ihn frage: „was denken Sie dabei über sich selbst?“, kommt als Antwort: „Na ja, ich bin hier nur zur Dekoration da. Es geht offenbar nicht um mich.“ Das Kindheitsthema ist hier ähnlich. Hier hat auch einer gelernt, immer wieder auszuhalten und mitzuspielen, auch wenn es nicht um ihn ging.
Beide bringen aus ihrer Kindheit also ein Thema mit. Beide haben damals nicht genug Spielraum, Aufmerksamkeit, Anerkennung, Wichtigkeit oder ähnliches bekommen und wollen wenigstens in ihrem Urlaub mal etwas davon haben. Wer soll es ihnen geben? Der Partner bzw. die Partnerin. Und wer hat dazu gerade am wenigsten Lust? Der Partner bzw. die Partnerin.
Die mitgebrachten Themen haben etwas mit Umständen und Bedingungen zu tun, die in der Kindheit schwierig waren. Wo etwas zu viel, zu wenig oder unstimmig war und deshalb Spuren übrig blieben. Themen haben sich herauskristallisiert, welche das Kind und den daraus werdenden Erwachsenen seither begleiten.
Es ist nicht unbedingt notwendig, dass Sie jetzt in ihre Geschichte zurückschauen. Natürlich kann es helfen, wenn Sie diese kennen und die sich daraus ergebenden Themen Ihnen schon vertraut sind. Aber der Blick zurück ist nicht notwendig. Denn ein mitgebrachtes Thema – ich nenne es gerne Lebensthema – ist in der Gegenwart präsent. In jedem Streit, in jedem Problem ist es sichtbar. Sie brauchen also nur auf das zu hören, was Sie selber sagen oder schreien und was Sie dabei erleben. Oder wenn Sie das Lebensthema Ihres Partners wissen wollen, hören und schauen Sie ihm/ihr zu.
Noch ein Beispiel:
Wenn sie zum Beispiel darüber klagt, dass er sie in ihrem Wunsch nach einem Strandspaziergang nicht ernst nimmt, ist das Thema dahinter – ganz einfach – das ernst genommen werden. Weitere Äußerungen geben noch mehr Klärung. Sagt sie zum Beispiel: „Nie nimmst du mich ernst“, dann berichtet sie von der Not, dass sie in ihrem Bemühen immer wieder scheitert. Hier taucht eine Vergeblichkeit auf, eine Sehnsucht danach, dass es endlich einmal anders ist. Die findet sich auch in: „nimm mich doch endlich mal ernst, nimm nicht immer nur deine Dinge wichtig, sieh mich doch auch einmal…“
Wer sich hier schon wieder erkennt, ist ein Stückchen weiter im Verständnis der eigenen Person. Das Lebensthema ernst genommen zu werden teilen viele Menschen und trotzdem brauchen alle etwas Anderes. Ich sage das, weil man hier sehr genau sein muss. Der erste Schritt – eine Ahnung vom Lebensthema zu bekommen – ist nur ein Teil der Lösung. Hört man hier auf, hat man nichts gewonnen.
Der zweite Schritt besteht darin, eine positive Antwort auf das Lebensthema zu finden.
Hätte ich diese Frau in meiner Praxis, würde ich sie fragen, wie es sich anfühlt, wenn sie ernst genommen wird. Dabei ist es gleich, ob es ihr Mann ist, der das manchmal kann oder jemand anderes. Vielleicht kommen dann Berichte aus ganz anderen Umständen, mit anderen Menschen, aus dem Sport, Begegnungen mit Freunden, in der Freizeit oder der Arbeit. Sie soll sich erinnern, wie es sich anfühlt und damit bekommt das Begriff ernst genommen werden eine weitere Dimension. Jetzt werden die Worte vertieft durch das Erleben und die Gefühle. Viele teilen sich dieselben Worte für ihr Lebensthema. Wird dies aber mit dem Erleben verbunden, entsteht für jeden etwas Einmaliges. Diese einmalige Kombination bezeichne ich gerne als: den Schlüssel zum eigenen Unbewussten. Wenn sich unsere Beispielfrau in dieses Schlüsselerleben hinein begibt, erfährt sie Beruhigung und bekommt innerlich die Freiheit, ihre ehelichen Probleme weniger massiv zu erleben und sie vielleicht anders anzugehen. In der Psychotherapie bewirken ähnliche Prozesse Heilung.
Jetzt könnte man einwenden, dass diese erinnerten Situationen doch mit der Beziehung nichts zu tun haben. Unsere Frau könnte klagen: „Auch wenn ich das mit anderen erlebe, kriege ich es immer noch nicht von meinem Mann“.
An dieser Stelle gibt es einen wichtigen Punkt, der im Zusammenhang mit allen ehelichen Problemen und Streitereien unbedingt beachtet werden muss:
Für die Befriedigung der Erwartungen (Lebensthema), die beide Partner aus ihrer Kindheit mitbringen, ist nicht der Partner zuständig.
Dessen vermeintliches Versagen scheint die Ursache von Enttäuschungen und Stress zu sein, ist es aber nicht. Für die Frau in unserem Beispiel heißt die Aufgabe, zunächst selber zu lernen, das ernst Genommen zu werden in ihr Leben zu holen. Sie ist diejenige, die es noch nicht kann. Zwar schon mit Freunden, aber eben noch nicht mit einem Partner bzw. noch nicht in den Situationen, die ihr selber wichtig sind.
Mal angenommen sie lernt, ernst genommen zu werden, dann wird es faszinierend zu beobachten, wie ihr Partner ganz von alleine andere Seiten zeigt.
Nur die Partner, die es dann immer noch nicht können, muss man sich zur Brust nehmen bzw. darüber nachdenken, sich vielleicht zu verändern.
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Im Buch ist alles zu finden, was man für einen friedlichen, harmonischen und gemeinsamen Urlaub braucht. Für diesen ist es vielleicht schon zu spät, aber der nächste Urlaub kommt bestimmt!
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