Traue deiner schlechten Laune nicht!

So sorgt man mit ein bisschen Zeit, ein paar Blatt Papier und etwas Neugier für innere Gelassenheit und gute Gefühle.

Es sind schwierige Zeiten. Vieles muss plötzlich völlig anders funktionieren und vieles gefällt einem davon nicht. Es gibt also jede Menge Gründe, sich die gute Laune verderben zu lassen. Aber macht das wirklich Sinn? Macht es Sinn, den vielen Impulsen für negative Gefühle zu folgen?

Nein, es macht wenig Sinn, denn wir dienen uns selbst damit überhaupt nicht. Denn …

  • Wir verändern die Situation dadurch nicht – es hat also nach außen keinen Effekt, jedenfalls keinen positiven – und …
  • Es ist so, als würden wir uns selbst bestrafen. Paradox, oder? Das Geschehen um uns herum nervt und dafür „hauen wir uns selber auf die Nase“. Denn nur uns selbst geht es jetzt schlechter als vorher, wir sind belastet, angespannt, haben dunkle Gedanken, fühlen uns bedroht, schlecht behandelt oder ähnlich.

Leider sind die psychischen Mechanismen, die so etwas verursachen, in unserem Kopf fest eingebaut. Wenn uns also etwas nervt, geht unsere unbewusste Psyche ganz automatisch davon aus, dass es besser ist, in einen Alarmzustand zu gehen. Das kann man verstehen, wenn man bedenkt, dass sich die Grundstrukturen unserer Psyche in Zeiten entfaltet haben, in denen wir sehr schnell das Opfer von widrigen Umständen oder hungrigen Jägern werden konnten. Damals machte es Sinn, schnell auf Veränderungen der Umgebung zu reagieren.
Nun geht man nicht bei jedem kleinen Ärger innerlich gleich ganz bis an die Decke, aber dennoch wird dieser ganze Stressapparat in uns angeworfen. Passiert das öfter, hat das auch Folgen für unsere Gesundheit und für unser Lebensgefühl.

In so einem Mikro-Stressmodus – also bei einem kleinen negativen Gefühl/ einer kleinen Verstimmung – können wir außerdem über unseren Kopf, also unser Wissen und Können nur eingeschränkt verfügen. Auch wieder erst verstehbar, wenn man sich an die Urzeiten erinnert, in denen man nicht mehr nachdenkt, wenn etwas im Gebüsch raschelt, sondern nur noch reagiert. Für solche schnellen Reaktionen ist unser Bewusstsein viel zu langsam und wird entsprechend weniger genutzt. Der Körper braucht die Energie jetzt an anderen Stellen, zum Beispiel für die Sinnesverarbeitung und die Muskulatur. Folglich können wir nicht mehr klar denken.

Wie kommt man aus dieser Art von Selbstboykott (man straft sich selbst für schwierige Bedingungen) heraus?

Am besten, wenn man es schafft, auch in schwierigen Zeiten und schwierigen Situationen ruhig und gelassen zu bleiben. Dazu muss man der eigenen Psyche beibringen, sich nicht von jedem Impuls gleich mitreißen zu lassen. Leicht gesagt, aber nicht ganz so leicht umgesetzt. Weil die dafür notwendigen Selbstbeobachtungs- und Selbstkontrollmechanismen in unserem Kopf nur unterentwickelt oder gar nicht vorhanden sind. Wir sind eher darin geübt, den Impulsen unsere Psyche zu glauben und jede Provokation auch „zu reiten“, uns also mitreißen zu lassen. Man muss da also erst einmal etwas aufbauen und üben.

Hier kommen zwei Aufgaben, die ihnen dabei helfen können, vorausgesetzt, Sie machen diese Aufgaben öfter und nicht nur einmal.


Die wichtigste Aufgabe: Um sich von einem schlechten Gefühl nicht mitreißen zu lassen, muss man erst einmal merken, dass sich da gerade etwas im eigenen Kopf zusammenbraut. Da sollte also eine Warnlampe anspringen. So ein innerer Beobachter ist – wie eben schon angedeutet – in unserem Kopf nicht eingebaut. So kann man ihn errichten und trainieren:

Aufgabe 1: Beobachter errichten:

Dazu brauchen wir ein täglich durchgeführtes Ritual. Irgendwann im Laufe des Tages – am besten abends – sollen Sie ab heute innerlich auf den gerade gelaufenen Tag zurückblicken und notieren, wann es Ihnen im Laufe des Tages schlechter gegangen war und wann besser. Machen Sie das mindestens für ein paar Tage, besser noch für einige Wochen. Machen Sie es unbedingt schriftlich! Am besten nehmen Sie richtiges Papier dafür. Teilen Sie Ihr Blatt mit dünnen Strichen in eine schmale Spalte am linken Rand und eine breite, die den Rest der Seite einnimmt. In die schmale kommen Datum und Uhrzeit und in der anderen Spalte steht dann in Stichworten etwas über die jeweilige Situation und Ihr Erleben dabei. Finden Sie noch einen Platz für eine deutliche Markierung dafür, ob das ein positives oder ein negatives Ereignis war und tragen entsprechende Benotungen ein. Ich empfehle für positive Gefühle eine Skala von 0 bis 7 (7 ist das Beste) und für negative eine Skala von 0-10 (10 ist am meisten belastend). Sie dürfen aber auch andere Unterteilungen nehmen – alles ist erlaubt.
Notieren Sie, wie Sie sich gefühlt haben, und spekulieren Sie auch darüber, was der jeweilige Auslöser wohl gewesen sein könnte und wie das jeweils zu Ende gegangen war.

Wenn Sie anfangs abends vor dem leeren Blatt sitzen, fällt Ihnen vielleicht nur wenig ein. Um in Ihren Bemühungen nicht so erfolglos zu bleiben, werden Sie wahrscheinlich im Laufe der nächsten Tage schon mal daran denken, was Sie wohl abends über den gegenwärtigen Moment notieren könnten. Vielleicht fällt Ihnen dann ein, dass es Ihnen vor wenigen Minuten für einen Moment schlecht gegangen war. Jetzt haben Sie noch Zugang dazu und können es direkt notieren oder zumindest für den Abend merken.
Durch dieses täglich geführte Buch über Ihre Befindlichkeit werden Sie dafür aufmerksam. Wenn Sie es eine Weile geführt haben, werden Sie bald mitten in einem Stressmodus registrieren, dass Sie jetzt in einem drin sind.
Dann ist die rote Lampe endlich eingebaut und funktioniert.

Und wenn man dann merkt, dass man jetzt gerade in einem schlechten Gefühl gelandet ist und man wieder raus möchte, hat man viele Möglichkeiten zur Verfügung: Eine ganz einfache geht so:

Aufgabe 2: Neugierig sein.

Wussten Sie, dass man nicht in einem Stressmodus sein kann, wenn man neugierig ist? Probieren Sie es aus, entwickeln Sie zu irgendetwas eine Fragestellung und gehen Sie dieser nach. Beobachten Sie dabei, wie sich Ihre Stimmung verändert.
Neugier ist noch etwas anderes als bloße Ablenkung. Das wirkliche »etwas wissen wollen« entfaltet die Kraft, die wir hier brauchen, um der eigenen Psyche beizubringen, dass jetzt alles okay ist, man also gerade nicht sauer sein braucht, betroffen oder verletzt, sondern einfach nur daran interessiert, was da jetzt gerade vorgefallen ist. Wenn Sie gerade von etwas oder jemandem genervt sind, fragen Sie sich doch zum Beispiel einfach, wie sich die Situation aus der Sicht des oder der anderen Beteiligten gerade darstellt.

Diese Übungen/ Aufgaben stammen aus dem Buch: „Traue Deinem Leiden nicht“. Mehr Infos z. B. bei Amazon und auf der Webseite des Verfassers: www.reinhardt-kraetzig.de

Das Bild stammt von der kostenlosen Bilddatenbank pixabay.com. rain-1013929_1920.jpg erstellt von:  Peggy und Marco Lachmann-Anke . Vielen Dank dafür.

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