Der individuelle Schlüssel

Ich will zur Abwechslung mal wieder ganz konkret werden. Wenn man unbewusste Strukturen beeinflussen will, muss man immer die individuelle Person betrachten. Jede noch so wahre allgemeine Formulierung bleibt wirkungslos, weil sie an den persönlichen Gegebenheiten vorbeigeht. Schauen wir also auf ein konkretes Beispiel:

Vor mir sitzt ein Mann mittleren Alters und klagt darüber, dass er schon seit Jahren vergeblich versucht sein Übergewicht zu in den Griff zu bekommen.
Es sind etwa 30-40 kg, die er zu viel mit sich herum trägt. Er erzählt und manchmal frage ich nach.

Ich erfahre, dass er schon sein ganzes Leben immer zu dick gewesen sei. Er könne sich jedenfalls an nichts anderes erinnern. Er wisse von Hänseleien in der Schule und auch noch wie es sich anfühlt, wenn er vergeblich versuchte im Sport mit den anderen mitzuhalten. Auch sonst habe er eher am Rande gestanden und sich nie wirklich dazu gehörig gefühlt. Auf mein Nachfragen hin wird ihm deutlich, dass er ähnliche Gefühle schon aus der Kindheit kannte. Seine Mutter sei zwar immer da gewesen, aber mit ihrer Überängstlichkeit habe er sich nie wirklich gesehen gefühlt. Immer habe sie ihm im Weg gestanden, bei ihren Versuchen ihn vor der Welt zu schützen. Der Vater sei sehr mit sich selbst und der Arbeit beschäftigt gewesen. Die Eltern seien immer irgendwie in Anspannung gewesen, selten herrschte Ruhe und Frieden.

Um etwas verändern zu können muss das gegebene Problem (Übergewicht) als Folge der eigenen Geschichte gesehen und verstanden werden. Nun hat der Mann sicher nicht als Kind gelernt, dass er später mit 40 kg zu viel auf dem Körper durchs Leben gehen muss, aber sein jetziges Lebensgefühl, seine Vorstellung über sich selbst und seinen Platz im Gefüge des Miteinanders, entspricht dem, was er als Kind erlebte. Der Mann soll also lernen, dass er deshalb über sein Übergewicht klagt, weil das sich daraus ergebende Lebensgefühl genau die Qualität hat, die er als seinen Platz in der Welt gelernt hatte.

Im nächsten Schritt geht es um die Frage, wie er hier eingreifen kann. Wie kann er erreichen, für sich selbst ein anderes Lebensgefühl zu bekommen. Das Unbewusste ist gesammelte Erfahrung. Diese kann nur bedingt überschrieben oder gar gelöscht werden, dennoch sind wir nicht vollkommen machtlos, wie viele erfolgreiche Psychotherapien belegen. Jeder Mensch ist lebenslang fähig neue Erfahrungen zu machen. Diese neuen Erfahrungen sollten das enthalten, was in den bisherigen Erfahrungen fehlte. So entstehen neue neuronale Verknüpfungen, die an den alten Erfahrungen vorbei wirken und diese gleichzeitig hemmen.

Was bedeutet das im konkreten Fall?

Unser Beispiel-Mann benennt, welche Erfahrungen ihm fehlten. Die Suche nach seinen Sehnsüchten führt uns zu einer Lebensphantasie, in der Ruhe und Frieden herrscht, er sich als Teil einer Gemeinschaft fühlt und darin auch Verantwortung entsprechend seiner Fähigkeiten übernimmt. Es fällt ihm zum Beispiel leicht, auch in komplexen Situationen schnell einen Überblick zu bekommen. Wir vermuten, dass er neben seiner ängstlichen Mutter lernte, gegebene Sicherheit und Schutzmöglichkeiten zu sehen und die Mutter damit zu beruhigen. Hier hatte er also viel zu früh eine erwachsene Rolle übernommen und die Zuständigkeit mit der Mutter getauscht. Dies hatte die Mutter zwar für sich genutzt, es aber nie wirklich anerkannt. Daher fehlt es ihm, auch in seiner Führungsqualität gesehen zu werden.  Zusammengefasst ergibt sich, dass es ihm fehlt, sich als wertvoller Teil einer Gemeinschaft zu fühlen, darin Verantwortung zu übernehmen und angemessene Beachtung zu erleben.

Dies ist seine individuelle Schlüssel-Information, die zum Ausgangspunkt für seine neuen Erfahrungen werden soll. Jetzt geht es darum, diesen Schlüssel zu verwenden.

Es folgt etwas überraschend Einfaches. Den meisten Menschen ist es daher auf Anhieb möglich, diesen Schritt zu gehen. Die Aufgabe besteht darin, in sich zu gehen und eine Fantasie zu entfalten, in der man genau das erlebt, was im eigenen Leben bisher fehlte. Im konkreten Beispiel fantasiert sich der Mann in eine Gemeinschaft in der er Verantwortung hat und beachtet wird. Dabei soll er beachten, sich nicht ablenken zu lassen und innerlich in Probleme abzugleiten. Sollte irgendeine Person nicht in diese Gemeinschaft hineinpassen, wird sie einfach ausgewechselt. Ergeben sich Schwierigkeiten in der Fantasie, wird diese neue aufgebaut. So, dass diese Schwierigkeiten nicht entstehen können. Es ist wichtig, sich klar zu machen, dass man darin vollkommen frei ist und dass das einzige Ziel ist, die Gefühle zu erleben, die entstehen, wenn endlich das da ist, wonach man sich so lange gesehnt hat. Dieses Gefühl hat eine heilende Wirkung. Es öffnet Türen in ein anderes und vermutlich besseres Leben.

Die Fantasien sind nur ein erster Schritt. Sie sollen wiederholt und auf- und ausgebaut werden. Sie dienen als Vorlage für Erfahrungen in der Wirklichkeit. „Wo finden Sie solche Gefühle noch in Ihrem Leben“, lautet vielleicht die Frage oder als Aufforderung: „Suchen Sie solches Erleben.“

Manche schaffen diese Fantasien zunächst nur mit dem Therapeuten und kriegen es allein noch nicht hin. Haben Sie keinen Therapeuten, der das mit Ihnen machen kann? Nehmen Sie einen Freund oder Freundin als Ersatz. Das wirkt manchmal sogar noch besser.

Das obenstehende Foto ist von Marcin Wicharyaus von der Webseite pixabay.com. Vielen Dank an den Fotografen.

Die Vergangenheit in der Gegenwart bewältigen

„Carpe diem“, nutze den Tag, ist ein Appell daran, sich nicht über Vergangenheit zu beklagen oder auf eine andere Zukunft zu hoffen, sondern den Augenblick zu nutzen. Das Jetzt zu nutzen, weil es der einzige Zugriffspunkt auf das eigene Schicksal ist. Die Vergangenheit kann nicht geändert werden und auch die Zukunft bietet keinen Handlungsspielraum. Die Frage ist, was kann ich jetzt tun, wenn ich unter meiner Vergangenheit leide und meine Zukunft vielleicht genau so sein wird…wenn ich nichts verändere.

Man kann die Vergangenheit nicht einfach beiseiteschieben. Probleme der Gegenwart sind in der Vergangenheit begründet und deshalb darf diese nicht verdrängt, sondern muss verarbeitet werden. Da wir die Vergangenheit selber nicht ändern können, sondern nur ihre Folgen, sind wir schon wieder in der Gegenwart, in der wir diese Folgen merken. Vergangenheit verarbeiten findet also in der Gegenwart statt und hat dabei die Gegenwartsprobleme im Focus. So gesehen ist Vergangenheitsbewältigung etwas sehr konstruktives und zeigt unmittelbar im Jetzt Ergebnisse.

Also müssen wir uns nur um unsere Gegenwartsprobleme kümmern? Tun wir das nicht sowieso schon? Was ist der Unterschied? Der besteht darin, dass wir unsere Gegenwartsprobleme als eine Folge unserer eigenen Geschichte verstehen müssen. Vielen ist dies nicht ansatzweise klar. Sie verstehen ihre Probleme als Pech, Schicksal, Gott gegeben oder „so ist es eben“ und sehen keinen Zusammenhang zur eigenen Person.

Das ist mit unserer Vorstellung von der Welt zu erklären. Wir gehen davon aus, dass diese Welt so ist, wie sie ist und dass unsere Wahrnehmung uns einen Ausschnitt von dieser „Wahrheit“ vermittelt.

Tatsächlich ist die uns als objektiv erscheinende Wirklichkeit  in „ Wahrheit von uns selbst erzeugt; wir können die Welt nicht einfach auf direktem Weg bewusst erleben. Sie wird von unserem Gehirn zuerst in neuronale Elementarereignisse zerlegt und dann neu zusammengesetzt. Das so entstandene, extrem verkürzte Bild von der Wirklichkeit ist notwendig, denn ohne es wären wir gar nicht handlungsfähig. Um so schnell zu reagieren, wie das Leben es verlangt, müssen wir – das hat uns die Evolution gelehrt – auf Genauigkeit verzichten. Unsere Blindheit für Details ist also ungemein nützlich“, sagt Udo Boessmann, in einer Zusammenfassung seines Buches Bewusstsein – Unbewusstes. Das im Hirn zusammengesetzte Bild lehnt sich an bereits gemachte Erfahrungen an. Auch dies dient der Vereinfachung. Es kann aber auch zu viel Leid führen, wenn beim Erzeugen der eigenen Wirklichkeitsillusionen Negativerfahrungen der eigenen Geschichte als Vorlage dienen. Doppelt belastend wird das Ganze, wenn das Produkt als die wirkliche Wirklichkeit verstanden wird.

Wer die Eigenbeteiligung nicht kennt, kann die Begebenheiten dann nur als Pech oder Schicksal verstehen und wird damit zum Spielball des Geschehens im eigenen Kopf. Denn wird es nicht unterbrochen, wird es sich immer wiederholen. Mancher merkt mit Glück nach der dritten Beziehung mit ähnlichen Problemen, dass es etwas mit der eigenen Person zu tun hat und nicht einfach nur Pech bei der Partnerwahl war.

Da die Vergangenheit nicht zu ändern ist, muss man in der Gegenwart Erfahrungen suchen, die das bringen, was damals fehlte. Fehlten damals Erfahrungen von Verlässlichkeit, geht es darum diese Qualität in das gegenwärtige Leben zu bringen. Dies ist nicht immer einfach, weil man ja darin geübt ist ohne verlässliche Umgebung zu leben. Das andere muss erst geübt und gelernt werden, aber mit ein bisschen Entschlossenheit ist das machbar. Man fängt zum Beispiel damit an, diesen Gedanken immer wie ein Mantra zu sprechen: Ab heute lerne ich Verlässlichkeit zu entdecken und sie, da wo ich sie finde, auch anzunehmen und zu genießen. Es geht also um bewusstes entdecken und wahrnehmen von Beziehungen auf die man sich vielleicht schon immer verlassen konnte. Darum wahrzunehmen wo sich im eigenen Leben Menschen, Umstände und Bedingungen finden, die Kontinuität bieten. Die dann da sind wenn man sie braucht, denen man also vertrauen kann. Jetzt muss man nur noch eine Weile dranbleiben. Das was die eigenen Eltern nicht geben konnten, wird zur eigenen Aufgabe des Erwachsenen. Fehlt Verlassenheit, dann hilft es auch, sich selbst ein verlässlicher Begleiter zu sein – so etwas wie  ein guter Vater oder Mutter. Also für sich zu sorgen, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen und sich zu lieben, egal wie man gerade drauf ist.

Es braucht ein bisschen Zeit dem eigenen Unbewussten etwas Neues beizubringen. Hier geht es nicht nur um Stunden oder Tage, sondern eher um Wochen oder Monate. Manche brauchen für so ein Vorhaben einen Therapeuten, aber viele könnten es auch allein oder mit Hilfe von Freunden, Bekannten oder Selbsthilfezirkeln schaffen, diesen Schritt zu gehen.

Erwachsene mit Kindern haben hier einen Vorteil. Denn oft geben sie diesen das, was Ihnen selber fehlte. Damit ist diese Qualität schon in ihrem Leben, sie müssen sie nur auch auf sich selbst erweitern. Denn wenn ich meinem Kind verlässliche Liebe gebe, bin ich selber bereits ein Teil dieses Netzwerkes von Verlässlichkeit. Ich muss es mir nur bewusst machen und kann dann sofort ebenfalls davon profitieren. Einzige Hürde: ich muss es mir auch selber wert sein. Aber auch das kann man lernen.

Das obenstehende Foto ist aus http://pixabay.com/de/termin-uhr-countdown-frist-15979/ Vielen Dank an den Fotografen

Psychotherapeuten – Die Helfer vergessen sich selbst

18.04.15
Ich war in dieser Woche auf einer Psychotherapietagung im schönen Lindau am Bodensee und habe dort Informationen über uns Psychotherapeuten gehört, die mir zwar neu waren, mich aber nicht wirklich erstaunten.

Weil Psychotherapie von Erfahrung lebt, arbeiten viele Psychotherapeuten länger als bis zum 65. Lebensjahr. Auffällig ist, dass alte Psychotherapeuten in der Statistik deutlich kranker sind als die Durchschnitts-Bevölkerung. Dies betrifft das ganze Spektrum von Krankheiten, einschließlich seelischer Erkrankungen. Psychotherapeuten bringen also Anderen bei, ein gutes Leben zu führen, versagen aber dabei, dies auch für sich selbst zu realisieren. Über die Hintergründe hörte ich verschiedene Vermutungen.

Eine Annahme war, dass Psychotherapeuten zu viel arbeiten, weil sie für ihre Arbeit zu wenig Geld bekommen. Ich kann dieses Argument nicht gelten lassen, weil wir unseren Patienten beibringen, dass man auch mit weniger ein gutes Leben führen kann, wenn man weiß wie es geht. Ein anderer Grund könnte sein, dass viele Therapeuten ihren Beruf gewählt haben, weil sie neben dem Wunsch anderen zu helfen auch für eigene Lebenslasten Lösungen suchten. Für mich selbst trifft das sicher zu. In ihrer Ausbildung haben sie dann gelernt wie man seelische Not lindert, aber vergessen, das alles auch für die eigene Person zu verwenden.

Ich halte Psychotherapie für ein großartiges Instrument zur Veränderung. Die meisten Psychotherapeuten können damit sehr geübt umgehen. Aber aus irgendeinem Grund verwenden sie es nicht für die eigene Person. Woran liegt das?

In einem Vortrag am letzten Tage des Kongresses äußerte ein hochrangiger Psychotherapie-Wissenschaftler und -Praktiker (Privatdozent Dr. med. Wolfgang Wöller), dass Psychotherapeuten sich mehr vor Augen halten sollten, dass das eigene Unbewusste bestimmt, wie das Leben läuft. Erstaunlich, dass man dies langjährig praktizierenden Fachleuten für die menschliche Psyche überhaupt sagen muss. Aber offenbar ist die Tragweite dieses Wissens noch nicht mal bei den Profis angekommen, die sich tagtäglich damit auseinandersetzen.

Ich nehme dies als Beleg dafür, wie penetrant unbewusstes das Leben dominiert.

Es lief ungefähr so: Der -statistisch gemittelte- Psychotherapeut hat schon als Kind gelernt, anderen mehr zu geben als sich selbst und hinsichtlich Gesundheit, Glück und Lebenszufriedenheit weniger nehmen zu dürfen. Und weil er sich nie bewusst machte, wie ihn diese „Lebensweisheit“ bestimmt, hat er auch nie was dagegen unternommen… oder das was er unternommen hat, war nicht wirkungsvoll, weil er seinen „Gegner“ falsch einschätzte.

Wer glaubt, mit ein paar klugen Gedanken alles zu richten, ist auf dem Holzweg. Unbewusste Strukturen zu beeinflussen, braucht wiederholte, gefühlvolle, neue Lebenserfahrungen und angemessen Zeit für die innere Neuausrichtung.

Ostern – jede Menge Zeit zu streiten…

Na, zu Ostern wieder in die Haare gekriegt?

Statistisch ist es mit den Streitereien ähnlich wie an anderen hohen Feiertagen. Viele Paare geraten aneinander. Warum ist das so?

Weil die Erwartungen nach Harmonie und einem guten Miteinander an den Feiertagen besonders hoch sind. Viele wollen in der kleinen Auszeit etwas von dem bekommen, was im Alltag fehlt oder zu wenig da ist. Leicht zu erklären mit stressigen Arbeitstagen, vollgestopftem Alltag und gehetztem aneinander vorbei sprinten.

Wenn beide Seiten aber so hohe Erwartungen haben, wieso gelingt es dann nicht? Vielleicht weil beide etwas Anderes erwarten? Aber so verschieden kann es doch gar nicht sein, Frieden und Harmonie wollen doch alle? Aber im Detail ist es eben doch verschieden, wenn sie einen Osterspaziergang machen möchte und er unter Frieden und Harmonie versteht, sich ganz friedlich in seiner Werkstatt zurückzuziehen und ganz harmonisch das Motorrad zu reparieren. Aber auch in so einem Fall könnte man sich doch einigen, vielleicht ein Nacheinander installieren? Wieso finden so viele keine Lösung?

Ich würde das Thema nicht an dieser Stelle, in diesem Blog erwähnen, wenn das Problem nicht etwas mit dem Unbewussten zu tun hätte. Denn das, was letztlich zum Streit führt, sind nicht die bewussten (formuliert oder gedacht) Erwartungen, sondern unbewusste Themen. Solche, die beide schon aus ihrer Kindheit mitbringen. Diese Themen haben etwas mit Umständen und Bedingungen zu tun, die in der Kindheit schwierig waren. Wo etwas zu viel, zu wenig oder unstimmig war und deshalb Spuren übrig blieben. Themen haben sich herauskristallisiert, welche das Kind und den daraus werdenden Erwachsenen seither begleiten.

Es ist nicht unbedingt notwendig, dass Sie, werter Leser, jetzt in ihre Geschichte zurückschauen. Natürlich kann es helfen, wenn Sie diese kennen und die sich daraus ergebenden Themen Ihnen schon vertraut sind. Aber dieser Blick zurück ist für eine Klärung nicht notwendig. Denn ein aus der eigenen Kindheit mitgebrachtes Thema – ich nenne es gerne Lebensthema – ist in der Gegenwart präsent. In jedem Streit, in jedem Problem ist es sichtbar. Sie brauchen also nur auf das zu hören was Sie selber sagen oder schreien und was Sie dabei erleben. Oder wenn Sie das Lebensthema Ihres Partners wissen wollen, hören und schauen Sie ihm zu.

Nehmen wir ein Beispiel:

Wenn sie zum Beispiel darüber klagt, dass er sie in ihrem Wunsch nach einem Osterspaziergang nicht ernst nimmt, ist das Thema dahinter – ganz einfach – das ernst genommen werden. Weitere Äußerungen geben noch mehr Klärung. Sagt sie zum Beispiel: „Nie nimmst du mich ernst“, dann berichtet sie von der Not, dass sie in ihrem Bemühen immer wieder scheitert. Hier taucht eine Vergeblichkeit auf, eine Sehnsucht danach, dass es endlich einmal anders ist. Die findet sich auch in: „nimm mich doch endlich mal ernst, nimm nicht immer nur deine Dinge wichtig, sieh mich doch auch einmal…“

Wer sich hier schon wieder erkennt, ist ein Stückchen weiter im Verständnis der eigenen Person. Das Lebensthema ernst genommen zu werden teilen viele Menschen und trotzdem brauchen alle etwas Anderes. Ich sage das, weil man hier sehr genau sein muss. Der erste Schritt – eine Ahnung vom Lebensthema zu bekommen – ist nur ein Teil der Lösung. Hört man hier auf, hat man nichts gewonnen.

Der zweite Schritt besteht darin, eine positive Antwort auf das Lebensthema zu finden.

Hätte ich diese Frau in meiner Praxis, würde ich sie fragen, wie es sich anfühlt, wenn sie ernst genommen wird. Dabei ist es gleich, ob es ihr Mann ist, der das manchmal kann oder jemand anderes. Vielleicht kommen dann Berichte aus ganz anderen Umständen, mit anderen Menschen, aus dem Sport, Begegnungen mit Freunden, in der Freizeit oder der Arbeit. Sie soll sich erinnern, wie es sich anfühlt und damit bekommt das Begriff ernst genommen werden eine weitere Dimension. Jetzt werden die Worte vertieft durch das Erleben und die Gefühle. Viele teilen sich dieselben Worte für ihr Lebensthema. Wird dies aber mit dem Erleben verbunden, entsteht für jeden etwas Einmaliges. Diese einmalige Kombination bezeichne ich gerne als: den Schlüssel zum eigenen Unbewussten. Wenn sich unsere Beispielfrau in dieses Schlüsselerleben hinein begibt, erfährt sie Beruhigung und bekommt innerlich die Freiheit, ihre ehelichen Probleme weniger massiv zu erleben und sie vielleicht anders anzugehen. In der Psychotherapie bewirken ähnliche Prozesse Heilung.

Jetzt könnte man einwenden, dass diese erinnerten Situationen doch mit der Beziehung nichts zu tun haben. Unsere Frau könnte klagen: „Auch wenn ich das mit anderen erlebe, kriege ich es immer noch nicht von meinem Mann“.

An dieser Stelle gibt es einen wichtigen Punkt, der im Zusammenhang mit allen ehelichen Problemen und Streitereien unbedingt beachtet werden muss:

Für die Befriedigung der Erwartungen (Lebensthema), die beide Partner aus ihrer Kindheit mitbringen, ist nicht der Partner zuständig.

Dessen vermeintliches Versagen scheint die Ursache von Enttäuschungen und Stress zu sein, ist es aber nicht. Für die Frau in unserem Beispiel heißt die Aufgabe, zunächst selber zu lernen, das ernst Genommen zu werden in ihr Leben zu holen. Sie ist diejenige, die es noch nicht kann. Zwar schon mit Freunden, aber eben noch nicht mit einem Partner bzw. noch nicht in den Situationen, die ihr selber wichtig sind.

Mal angenommen sie lernt, ernst genommen zu werden, dann wird es faszinierend zu beobachten, wie ihr Partner ganz von alleine andere Seiten zeigt.

Nur die Partner, die es dann immer noch nicht können, muss man sich zur Brust nehmen bzw. darüber nachdenken, sich vielleicht zu verändern.

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Zu kompakt? In meinem Buch Streitpaare steht dies und viel mehr auf als 200 Seiten. www.streitpaare.de Wer sich das Thema ausführlich erlesen möchte, kann sich mein Buch Streitpaare bei seinem Lieblingsbuchhändler bestellen und dann in aller Ruhe herausfinden, wie man die eigene Beziehung befrieden kann.
Im Buch ist alles zu finden, was man für ein friedliches, harmonisches und gemeinsames Fest braucht. Für dieses Ostern ist es vielleicht schon zu spät, aber das nächste Fest kommt bestimmt!