Alles Theater!

 

Wozu gibt es überhaupt ein Bewusstsein?

Das Bewusstsein ist zwar sehr viel schneller als das Unbewusste, kann aber nur winzige Datenmengen und immer nur einen Prozess verarbeiten, kann also kein Multitasking. Das Unbewusste ist langsamer, arbeitet viele Prozesse parallel ab und erreicht dadurch eine viel höhere Verarbeitungsgeschwindigkeit. Ohne die Arbeit des Unbewussten, könnten wir nicht überleben, vermutlich aber ohne das Bewusstsein. Wofür haben wir es überhaupt? Da sich in der Natur nur das durchsetzt bzw. erhalten bleibt, was auch einen Sinn macht, muss man dies auch dem Bewusstsein unterstellen, aber welchem Zweck dient es?

Eine interessante These stellt B. J. Baars, in seinem Buch „Das Schauspiel des Denkens“, aus dem Jahr 1998 vor. Er schreibt:

„Die engen Grenzen des Bewusstseins bieten einen ausgleichenden Vorteil: Das Bewusstsein scheint wie ein Tor zu funktionieren, das Zugang zu jedem Teil des Nervensystems bildet. Sogar einzelne Neurone können durch bewusstes Feedback kontrolliert werden. Bewusste Erfahrungen schaffen Zugang zum mentalen Lexikon, dem autobiographischen Gedächtnis und der willentlichen Kontrolle über automatisierte Handlungsroutinen.“(Bernard Baars: In the Theater of Consciousness, Journal of Consciousness Studies, 4, No. 4, 1997, pp. 292-309, Übersetzung von Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/Bernard_Baars).

Die Psychotherapie nutzt diese Möglichkeit des Bewusstseins, um auf bestimmte Geschehnisse im eigenen Kopf zugreifen zu können. Eine Person kann sagen, „Ich habe Angst“ oder kann sich an ihre Angst erinnern. Mit entsprechendem Training kann auf diese Angst eingewirkt werden. Die Fähigkeit, die Baar in seinem Global Workspace Model beschreibt, wird daher von anderen Experten auch als Zugangsbewusstsein umschrieben. (Davon wird das phänomenale Bewusstsein unterschieden, das für den Erlebnisgehalt des Bewusstseins steht, etwa das subjektive Erleben von Angst.)

Baar hat unser Gehirn auch mit einem Theater verglichen. Während im Saal Dunkelheit herrscht und die dort sitzenden unbewussten Programme und Prozesse nicht oder nur eingeschränkt miteinander interagieren, ist die Bühne, auf der das Bewusstsein agiert, hell beleuchtet und von allen im Saal deutlich sichtbar. Der Theater-Schauspieler (das Bewusstsein) kann mit jedem Zuschauer im Saal interagieren. Durch seine Handlung können ansonsten unverbundene unbewusste Programme miteinander koordiniert werden. Sie bekommen dadurch einen Dirigenten bzw. eine übergreifende Ausrichtung für anstehende Aktionen.

Alles Geschehen in der eigenen Umgebung wird zunächst unbewusst erfasst und überprüft, ob eine Reaktion notwendig ist. Ist dies der Fall, wird zum Beispiel eine Angst auf die bewusste Bühne gehoben, die dafür sorgt, dass alle verfügbaren Ressourcen zur Bewältigung der Situation verwendet werden. Alles was im Moment nicht für die Sicherung der eigenen Person notwendig ist, wird heruntergefahren und alles was für eine angemessene Reaktion notwendig ist, hochgefahren. Ein Ich ist präsent und dieses Ich hat jetzt Angst.

Die Angst auf der Bühne kann auch kritisch betrachtet werden. Vielleicht, weil nebenbei oder rückblickend wahrgenommen wird, dass alle anderen Menschen in der Umgebung auf dieselbe Situation ohne Angst reagieren. Vielleicht weil es Erinnerungen daran gibt, dass man früher noch ohne Angst war.
Die Angst kann erneut auf die Bühne des Bewusstseins gestellt werden, diesmal mit der Frage an das innere Plenum, ob es nicht weniger leidvolle Lösungen gibt. Sollte dies keinen Ertrag bringen, könnte zum Beispiel auch der Gedanke entstehen, sich psychotherapeutische Hilfe zu suchen. Dort könnten dann neue Möglichkeiten geschaffen werden, das Angstprogramm zu hemmen und andere Reaktionen zu gestalten.

Jetzt darf man aber nicht in den Irrtum verfallen, den Schauspieler bzw. das Bewusstsein als Regisseur des Ganzen zu sehen. Die Impulse, die den Schauspieler agieren lassen, kommen aus dem Zuschauerraum, also aus dem Unbewussten.

Dies betrifft jegliches Handeln, Denken und Erleben. Auch wenn sich ein Mensch entschließt, eine komplizierte mathematische Formel zu lösen, stehen dahinter unbewusste Prozesse, die den Entschluss, die Aufmerksamkeit jetzt auf die mathematische Formel zu richten, vorbereiteten. Innerhalb der Lebenswirklichkeit der Person gibt es Prozesse für die es sinnvoll, notwendig und/oder angemessen scheint, den Fokus auf die Lösung der Aufgabe zu richten. Das Bewusstsein wird eingeschaltet, um alle dafür notwendigen Fähigkeiten zu bündeln. Bei einer einfachen Rechenaufgabe, hätte das Unbewusste das Ergebnis ohne Umwege im Hintergrund errechnet. Ist die Aufgabe komplizierter oder geschieht etwas zum ersten Mal, begibt man sich in den Theatersaal – um bei dem obigen Bild zu bleiben – und nutzt einen Leih-Schauspieler um die notwendige Kooperation zu gewährleisten.

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Das Foto „theater-prag-tschechische-republik-592145“ stammt aus der kostenlosen Bilddatenbank pixabay.com. Vielen Dank an den Fotografen IgnacioPinheiro.

Na das ist ja primer!

Menschen sind vor allem soziale Wesen. Auch wenn es manchmal  nicht so scheint, sind sie in der Tiefe ihres Seins aufeinander bezogen und passen sich blitzschnell und meist unbewusst an ihre jeweilige Umgebung an.

Dass Gähnen ansteckend sein kann, ist den meisten vertraut. Dies ist ein gutes Beispiel für eine unbewusste Anpassung. Gähnt einer, gähnen andere solidarisch mit.

Schon vor vielen Jahren wurde bei Mutter-Kind Experimenten festgestellt, dass Brei fütternde Mütter oft mit offenem Mund dabei sind. Genauere Betrachtungen brachten hervor, dass sie dies nicht taten, um ihrem Kind beizubringen, dass dieses den Mund öffnen muss, sondern dass sie vielmehr den offenen Mund des Kindes kopierten.

Unbewusste Imitation findet beständig statt. Menschen imitieren spontan den Gesichtsausdruck anderer Menschen, genauso wie die Körperhaltung, wie Gesten oder auch sprachliche Eigenheiten, wie Wortwahl, Tonhöhe oder die Pausenlänge zwischen den Sätzen. Interessant ist, dass diese Anpassung auch bei sprachlichen Zuweisungen funktioniert. Wird ein Mensch wiederholt als dumm bezeichnet, verhält er sich auch so. Dies funktioniert zum Glück genauso mit positiven Eigenschaften. Ein Mensch leistet mehr, wenn seine Leistungsfähigkeit benannt wird.

Wie in zahlreichen Experimenten erprobt, geschieht diese Anpassung auch schon, wenn Menschen einen Artikel lesen, in dem sie mit bestimmten Eigenschaften konfrontiert werden. Geht es zum Beispiel um Begriffe, die man mit alten Menschen assoziiert, wie Gebrechlichkeit, langsame Bewegung, graue Haare, Falten etc., dann bewegen sich die Probanden danach messbar langsamer als Vergleichspersonen, die andere Texte vor sich hatten. Ganz gleich ob ein Mensch einer alten Person begegnet oder nur darüber liest, er passt sich sofort an, verlangsamt seine Bewegung, spricht vielleicht lauter und denkt langsamer.
Die Testpersonen wollten das auch nicht glauben und haben die Tests wiederholt, allerdings mit dem gleichen Ergebnis.

Dieses Aktivieren von bestimmten Eigenschaften in einer Person nennt man Priming. Lässt man eine Person eine Liste von Wörtern lesen, die etwas mit Aggressivität zu tun hat, erleben diese ihr Gegenüber aggressiver. Lesen sie etwas über Unfreundlichkeit, werden sie auch unfreundlicher. Handelt der Lesestoff von Leistung, Engagement und Anstrengung, gehen die Probanden nachher deutlich leistungsorientierter an Folgeaufgaben.

Es werden unbewusste Verhaltensmuster aktiviert und sofort gezeigt.
Diese Anpassung an die Umgebung lohnt sich offenbar für uns Menschen. Wir reagieren positiv auf andere, die sich an uns anpassen, unsere Gestik imitieren oder den Gesichtsausdruck. Versuche zeigten, dass Kellnerinnen doppelt so viel Trinkgeld bekamen, wenn sie die Gäste imitierten, in dem sie die Bestellung wortwörtlich wiederholten. Menschen sind einander sympathischer, wenn sie sich aneinander angleichen.

Interessant ist die Frage danach, worauf ein Mensch geprimt wird, wenn er die Blutseite der Tageszeitung liest. Sicher erzeugt die Konfrontation mit einer Welt voller Gefahren kaum ein positives Gefühl. Viel wahrscheinlicher ist, dass man eher ängstlich wird und sich unsicherer fühlt.
Vielleicht steckt hier auch eine Erklärung dafür, warum sich so viele Menschen gerne von Werbung berieseln lassen. Weil die gutaussehenden, erfolgreichen und zufriedenen Schauspieler auf einen selbst abfärben und man sich dadurch ein bisschen gutaussehender, erfolgreicher und zufriedener fühlt?

Das alles wirft ein deutliches Licht auf den Stellenwert des Bewusstseins. Die blitzschnelle Anpassung an die Umgebung geschieht vollkommen unterschwellig und in manchen Fällen vermutlich auch gegen den eigenen bewussten Willen (was ist das eigentlich?). Das Bewusstsein hat lediglich die Rolle eines Zuschauers. Das Unbewusste gibt die Richtung vor und steuert das Verhalten, das Bewusstsein wird manchmal darüber informiert.

Die Untersuchungen habe ich aus dem Buch von Ap Dijksterhuis, Das kluge Unbewusste, Denken mit Gefühl und Intuition, Klett-Kotta, 2007

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Der Sitz der Seele oder Tod ohne Wiederkehr?

 

Viele Jahrhunderte lebten wir mit der Überzeugung, dass unser Bewusstsein etwas so besonderes ist, dass es auch eine besondere Herkunft haben muss. Vollkommen klar, dass dieses geistig-sphärische Phänomen von Gott gegeben sein muss und auch nach dem Tod des Körpers nicht vergehen wird, sondern in anderen Dimensionen des Seins weiter existiert.

Was machen wir mit unseren vertrauten Vorstellungen, wenn uns die Neurobiologie vielleicht bald und endgültig beweist, dass das Bewusstsein im Gehirn selber entsteht und gar nicht so göttlich, frei und abgehoben ist, wie wir immer glaubten.

Seele, Bewusstsein, Geist ist das überhaupt dasselbe? Schauen wir mal…

Unter einer Seele wird in allen Religionen, Weltanschauungen und Kulturen der Welt etwas anderes verstanden. Zu allen Zeiten wurden die erleb- und sichtbaren Unterschiede zwischen Pflanze, Tier, Mensch und der unbelebten Natur unterschiedlich erklärt.

  1. In der Antike, einige Jahrhunderte vor dem Beginn unserer Zeitrechnung, war die am weitesten verbreitete Annahme, dass das Universum von einer göttlichen Natur (Pneuma, Äther, Odem) durchdrungen ist. Durch das Einatmen nehmen Tier und Mensch Anteil an diesem Göttlichen und werden belebt. Entsprechend führt der Atemstillstand zum Tode. Der Grundstoff der Seele wurde als etwas luftähnliches, ätherisches angesehen, das mit der Atemluft aufgenommen wird und sich im Körper zur Seele verdichtet. In dieser Vorstellung gibt es keine individuelle unsterbliche Seele. Nach dem Tod zerstreut sich die Seele wieder im Äther. Die Seele steht hier für das, was Leben gibt. Dahinter steht eine dualistische Vorstellung von Körper und Seele.

In der Antike unterschieden Denker wie Platon und Aristoteles  drei Lebensprinzipien. Demnach haben Pflanzen eine vegetative Seele, die zu Wachstum, Entwicklung und Anregbarkeit durch Umweltreize führt. Tiere haben eine Tierseele (animalische), die Bewegung, angepasstes Verhalten und auch eine gewisse Intelligenz ermöglicht. Der Mensch hat als einziges Wesen zusätzlich eine Vernunftseele (rational), die als unsterblich gilt. Durch sie hat der Mensch Anteil an einer Gabe der Götter. Diese Vernunftseele wird als unstofflich gesehen und steht damit dem Körper mit seiner stofflichen Substanz gegenüber. Die vegetative und die animalische Seele zerstreuen sich wieder nach dem Tod des Körpers.

Es gibt noch interessante Details bei den alten Denkern: So lieferte für Platon die sinnliche Erfahrung keine sichere Erkenntnis im philosophischen Sinne, da die Sinne materieller Natur sind. Sie dienen lediglich der Orientierung des Körpers. Wahre Erkenntnis hat bei Platon nichts mit der materiellen Welt zu tun und konnte daher nur durch die Seele (Augen des Geistes) gewonnen werden. Entsprechend ist die rationale Seele das Organ der Erkenntnis. In seiner Vorstellung existierte diese – bevor sie sich mit dem sterblichen Körper verband – in einem Raum auf der Rückseite des Himmels. Dort ist alle Erkenntnis versammelt und zu ihr, der wahren Erkenntnis, kann man nur im philosophischen Diskurs gelangen. Er erzeugt damit einen Dualismus zwischen einer Welt der Ideen und der faktisch bestehenden Welt.

Platons Schüler Aristoteles trennte sich von der Idee der unsterblichen Ideen und der damit verbundenen Ablehnung der Sinne als Erkenntnisgrundlage. Er ging davon aus, dass alle Erkenntnis auf sinnlicher Wahrnehmung und Erfahrung beruht. Ohne Sinneswahrnehmung gäbe es keinerlei Erfahrung und könnte man nichts verstehen. Er nahm auch an, dass der menschliche Geist über keine angeborenen Kenntnisse verfügt, sondern zu Beginn des Lebens einer unbeschriebenen Tafel (lateinisch: tabula rasa) gleicht, die mit allem Möglichen beschrieben werden kann.

Auch bei Aristoteles ist die Vernunftseele und das dazu gehörige Denkvermögen unsterblich, allerdings überindividuell. Eine Ausnahme war Aristoteles in seiner Überzeugung, dass alle Seelenanteile nicht im Gehirn, sondern im Herzen (cardiozentristisch) lokalisiert sind – weil dort alles Blut als Träger der Lebensgeister zusammenströmt. Für ihn war das Gehirn eher eine Art Kühlsystem des Blutes. Im Gegensatz zu ihm war die Anschauung, dass das Gehirn (cerebrozentistisch) der Sitz der Vernunftseele ist, der Intelligenz und der kognitiven Fähigkeiten spätestens seit Hypocrates (ca.  400 v. Chr.) weithin akzeptiert.

Die vegetativen und tierischen Seelenaspekte bilden bei Aristoteles mit dem Körper eine Einheit. Daher ist die Seele vom Körper nicht trennbar. Sie verhält sich zu ihm wie das Augenlicht zum Auge. Damit widerspricht Aristoteles der Auffassung Platons, wonach der Seele ein eigenständiges Dasein zukommt. Er fasst die Seele als Zweckursache des Körpers auf.

  1. Die mittelalterliche Theologie und Philosophie übernahm die platonische Vorstellung von der Unsterblichkeit der menschlichen Seele. Diese Ansicht wurde nach Jahrhunderten heftiger Auseinandersetzungen im Jahr 1515 von der christlichen Kirche als unbezweifelbare Wahrheit (Dogma) festgeschrieben und wird zumindest im Katholizismus bis heute verbindlich gelehrt. Protestantische Theologen vertreten dagegen eine auf jüdische Vorstellungen zurückgehende Lehre vom Tod der Seele mit dem Tod des Körpers und einer gänzlichen Neuschöpfung von Körper und Seele in einer Auferstehung.

In der christlichen Lehre des Mittelalters verbindet sich die unsterbliche Seele im Akt der Zeugung oder spätestens bei der Geburt mit dem Körper. Im Augenblick des Todes verlässt den Körper, der unbeseelt zurückbleibt und vergeht. Hier gibt es auch die Auffassung, dass die Seele nach ihrem Entweichen geleitet werden müsse, um nicht in der Welt als Gespenst umher zu ihren. Hier dienen hilfreiche Wesen, Engel, die diese Aufgabe übernehmen.

  1. Descartes, der einflussreichste Philosoph des 17. Jahrhunderts, vertrat wie Platon eine dualistische Auffassung. So definiert er die Seele als eine Sache, für die es wesentlich ist zu denken (res cogitans), und den Körper als ein Ding, für das es wesentlich ist, ausgedehnt zu sein (res extensa). Descartes zufolge enthält das Denken in seiner reinen Form nichts körperliches, auch in dieser Hinsicht ähnelt seine Auffassung derjenigen Platons.

In seinem Verständnis gieße Gott der Maschine Körper eine geistige Seele ein, die im Körper willkürliche Bewegungen veranlasse und der Körper veranlasse Gedanken.

Der Begriff Seele ist bei Descartes bedeutungsgleich mit Geist bzw. Verstand oder Vernunft. Sie gehört zur denkenden Substanz. Als organischer Sitz der Seele gilt die Zirbeldrüse (Informations- und Bewegungszentrale des Automaten). Der Geist als ganzer sei im ganzen Körper und in jedem beliebigen Teil des Körpers. Die Seele ist nach ihm, da nicht ausgedehnter, unteilbarer und unkörperlicher Geist, unsterblich. Die Verschiedenheit von Geist und Materie sei beweisbar, aber ihre Vereinigung nur aus der alltäglichen Erfahrung bekannt.

Descartes war überzeugt, dass im Körper nur biologische und keine psychischen Prozesse stattfinden. Für ihn gab es also kein Unbewusstes.

Descartes Ideen haben das westliche Denken stark geprägt. Auch heute noch wird das Bewusstsein mit dem Verstand/ der Ratio gleichgesetzt und die Auffassung, dass das Bewusstsein die dominante Instanz ist, ist noch immer weit verbreitet.

  1. Als ich in den 1970er Jahren anfing, Leibeserziehung zu studieren, war es noch selbstverständlich von einer Dreiteilung des Menschen in Körper, Seele und Geist auszugehen. Der Körper war die materielle Basis, die durch die Seele ihre Lebendigkeit bekam. Die Seele wurde auch mit dem Erleben bzw. dem Psychischen gleichgesetzt und der Geist mit dem bewussten Denken. Im Laufe der Jahre wurde ich mit verschiedenen Erklärungen und Zuordnungen konfrontiert. Seele und Geist wurden immer wieder in unterschiedlicher Bedeutung definiert, manchmal waren sie auch als etwas Identisches gesehen. Im Kern haben wir es nach wie vor mit einer dualistischen Auffassung zu tun, in der es darum geht, dass mentale Aspekte (Geist, Bewusstsein, das Psychische, die Seele) vom physischen (Körper, Gehirn, dem Materiellen, dem Leib) unterschieden werden. Die Existenz von Geist/ Bewusstsein / Seele wird überwiegend einem göttlichen Faktor zugeschrieben.

Fazit:

Offenbar fällt es in unserer Denktradition schwer, sich den Menschen als etwas Ganzes zu denken und die Annahme einer dualistischen Trennung Mentalem und Körperlichem zu verlassen. Vielleicht weil dies dem Tod so etwas Endgültiges gibt. Wenn keine Seele weiterlebt, ganz gleich ob individuell oder überpersönlich, vergeht das Individuum mit dem Tod des Körpers. Vielleicht brauchen Menschen den Trost, dass es nachher noch weitergeht.

Wenn kein Gott das Bewusstsein gibt, sondern es  aus der Interaktion der Nervenzellen entsteht, verliert das Mentale seine Sonderposition. Schon die bisherigen neurobiologischen Erkenntnisse müssten den Sitz einer gottgegebenen Seele ins Unbewusste verlagern, weil hier die wirkliche Steuerung des Menschen stattfindet. Da das Unbewusste eine Einheit mit dem Körperlichen bildet, lässt sich schwer unterscheiden, was beim Tode vergeht und was bleibt. Auch unsere Behauptungen über die eingeschränkte Beseeltheit bei den Tieren (animalische Seele) könnten wir dann nicht mehr begründen.

Noch immer haben die Neurobiologen keinen Beweis, dass das, was sie im Gehirn beobachten auch das Bewusstsein ist. Sie stellen nur Beziehungen zwischen bewusst erlebten geistigen Vorgängen (Wahrnehmen, Denken, Vorstellen, Erinnern, Fühlen, Wollen) und dem Geschehen in den Nervenzellen her. Das Bewusstsein selbst  ist damit noch nicht greifbar. Viele nennen aber den Verdacht, dass das Bewusstsein ein Produkt des Gehirns ist.

Wir können uns also noch in Spekulationen ergehen. Eine große Hürde für unser Denken ist dabei z. B. der Umstand, dass Bewusstsein aus Materie heraus entstanden wäre, sollten die Nervenzellen es durch ihre Interaktion erzeugen. Für uns, die wir über Jahrtausende gewohnt sind, in dualistischen Kategorien zu denken, ist dies eine große Herausforderung. Da fällt die Vorstellung einer göttlichen Instanz noch deutlich leichter.

Vielleicht retten uns Physik und Mathematik. Manches weist darauf hin, dass wir in mehr als nur drei Dimensionen plus der Zeit leben. In einer mehrdimensionalen Realität werden hochkomplexe Formeln zur Beschreibung unserer Welt plötzlich ganz einfach. Vielleicht sind unsere vertrauten drei Dimensionen nur ein Ausschnitt unserer Existenz und solche Phänomene wie Bewusstsein, Seele, Götter, Wiedergeburt etc. finden eine ganz einfache Erklärung, wenn man dem Ganzen nur die eine oder andere Dimension hinzufügt.

Diese Vorstellung stößt allerdings ebenfalls an die Grenzen unserer Ratio.

 

Das Bild „face-623315_640.jpg“ hat den Titel: „gesicht-seele-kopf-rauch-licht-623315“ und stammt von der kostenlosen Bilddatenbank pixabay.com. Vielen Dank an den Fotografen.

Die alten Netzwerke bleiben erhalten

Bei meinen Bücherstudien verdichtet sich mehr und mehr der Eindruck, dass die im Laufe der eigenen Geschichte im Unbewussten aufgebauten Vernetzungen kaum veränderbar sind. Vor allem was in den ersten Lebensjahren entstand, scheint sehr stabil. Das ist logisch, weil damals das Fundament des eigenen Lebensgebäudes gelegt wurde.

Allerdings herrschte in der Psychotherapie lange Zeit eine gegenteilige Annahme. Es war gängige Überzeugung, dass man sich dem Alten zuwendet, sich erinnert und versteht was da gelaufen war und danach Wege sucht, es von nun an anders zu machen. Manche arbeiteten auch in der Überzeugung, dass allein das Erinnern und der andere Blick auf die Geschichte Veränderungen erzeugen würde.

Freud ließ seine Patienten frei assoziieren, d. h., entspannt liegend ihre aktuellen oder zurückliegenden seelischen Regungen rückhaltlos aussprechen, damit ins Unbewusste verdrängte Inhalte wieder bewusst würden. Er fasste diese Technik in die Kurzformel: „Erinnern, Wiederholen, Durcharbeiten“. Ein wichtiger Aspekt des Durcharbeitens ist dabei die Deutung, also das Verstehen der Vergangenheit.

Die kognitive Verhaltenstherapie arbeitet mit der Annahme, dass jeder Mensch über seine Vorstellungen und Gedanken (Kognitionen) sein Erleben und Verhalten positiv oder negativ beeinflussen kann. Denkfehler wie z.B. die Einstellung „Ich muss perfekt sein“ führen demnach zu Anspannung und negativem Selbsterleben. Über die Bewusstmachung selbstschädigender innerer Überzeugungen (=Gedankenfehler) und die Einübung von hilfreichen Bewältigungsstrategien könne man lernen, mit belastenden Situationen anders als bisher umzugehen.

Hier verbirgt sich die Annahme, dass die Gedankenfehler die Ursache des Erlebens und Verhaltens sei. Tatsächlich sind diese lediglich die Folge von tief im Unbewussten ablaufenden Programmen und Mustern. Die Hirnchemie wird aufgrund von Lebenserfahrungen so einreguliert, wie es angemessen scheint, bei manchen ist das eben ein depressiver Zustand. Das negative Denken ist daher kein Fehler, sondern ein stimmiger Ausdruck.

Tatsächlich sind die Möglichkeiten von den kognitiven Zentren im bewussten Cortex die subcortikalen emotionalen Zentren zu beeinflussen sehr gering. Die gewünschte Veränderung der eigenen Person durch das Errichten von positiven Gedankengebäuden funktioniert daher nicht. Ein, durch die eigene Erfahrung entstandenes, neuronales Netzwerk lässt sich so nicht verändern.

Dennoch wirkt Therapie, aber offenbar auf eine ganz andere Weise als sich das viele Theoretiker lange Zeit zusammengereimt haben. Es ist das Miteinander von Therapeut und Patient, das eine heilsame Kraft entfaltet, ganz unabhängig davon, welcher therapeutischen Schule der Profi entstammt. Therapeutische Allianz ist der Begriff, der sich zunehmend als das eigentliche Heilmittel erweist.

Zumindest bei allen tiefer gehenden seelischen Erkrankungen braucht es dieses Miteinander, um etwas erreichen zu können. Da wo sich Lebenserfahrungen tiefer in die Person eingraviert haben – weil sie mit starken negativen Emotionen einhergingen – geht ohne diesen mitmenschlichen Faktor nichts.

Hier zeigt sich, dass wir Menschen nur dadurch Menschen sind, dass wir uns aufeinander beziehen, also miteinander leben. Ein Mensch ohne andere Menschen wäre kein Mensch. Auch der Eremit ist innerlich auf die abwesenden anderen bezogen. Von diesen grenzt er sich ab und zieht sich zurück.

In einer guten therapeutischen Allianz entstehen neue Erfahrungen, die als neue Bahnungen im Gehirn neben den alten Strukturen gespeichert werden. Sollten die alten Themen berührt werden, wirken die neuen Bahnungen hemmend und können so den Rückfall in alte Verhaltens- und Erlebensweisen bremsen.

So kann auch ein kognitiver Verhaltenstherapeut therapeutische Besserungen erreichen. Scheinbar gelingt es über die Formulierung neuer positiver Kognitionen, tatsächlich vielleicht nur, weil zwei Mensch miteinander ein Feld aufbauen, in dem beide sich so angenommen und gewertschätzt fühlen , dass neue Erfahrungen entstehen können.

 

Foto: ROLFVOLKER, „Spinnennetz 2“, CC-Lizenz (BY 2.0)
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Der individuelle Schlüssel

Ich will zur Abwechslung mal wieder ganz konkret werden. Wenn man unbewusste Strukturen beeinflussen will, muss man immer die individuelle Person betrachten. Jede noch so wahre allgemeine Formulierung bleibt wirkungslos, weil sie an den persönlichen Gegebenheiten vorbeigeht. Schauen wir also auf ein konkretes Beispiel:

Vor mir sitzt ein Mann mittleren Alters und klagt darüber, dass er schon seit Jahren vergeblich versucht sein Übergewicht zu in den Griff zu bekommen.
Es sind etwa 30-40 kg, die er zu viel mit sich herum trägt. Er erzählt und manchmal frage ich nach.

Ich erfahre, dass er schon sein ganzes Leben immer zu dick gewesen sei. Er könne sich jedenfalls an nichts anderes erinnern. Er wisse von Hänseleien in der Schule und auch noch wie es sich anfühlt, wenn er vergeblich versuchte im Sport mit den anderen mitzuhalten. Auch sonst habe er eher am Rande gestanden und sich nie wirklich dazu gehörig gefühlt. Auf mein Nachfragen hin wird ihm deutlich, dass er ähnliche Gefühle schon aus der Kindheit kannte. Seine Mutter sei zwar immer da gewesen, aber mit ihrer Überängstlichkeit habe er sich nie wirklich gesehen gefühlt. Immer habe sie ihm im Weg gestanden, bei ihren Versuchen ihn vor der Welt zu schützen. Der Vater sei sehr mit sich selbst und der Arbeit beschäftigt gewesen. Die Eltern seien immer irgendwie in Anspannung gewesen, selten herrschte Ruhe und Frieden.

Um etwas verändern zu können muss das gegebene Problem (Übergewicht) als Folge der eigenen Geschichte gesehen und verstanden werden. Nun hat der Mann sicher nicht als Kind gelernt, dass er später mit 40 kg zu viel auf dem Körper durchs Leben gehen muss, aber sein jetziges Lebensgefühl, seine Vorstellung über sich selbst und seinen Platz im Gefüge des Miteinanders, entspricht dem, was er als Kind erlebte. Der Mann soll also lernen, dass er deshalb über sein Übergewicht klagt, weil das sich daraus ergebende Lebensgefühl genau die Qualität hat, die er als seinen Platz in der Welt gelernt hatte.

Im nächsten Schritt geht es um die Frage, wie er hier eingreifen kann. Wie kann er erreichen, für sich selbst ein anderes Lebensgefühl zu bekommen. Das Unbewusste ist gesammelte Erfahrung. Diese kann nur bedingt überschrieben oder gar gelöscht werden, dennoch sind wir nicht vollkommen machtlos, wie viele erfolgreiche Psychotherapien belegen. Jeder Mensch ist lebenslang fähig neue Erfahrungen zu machen. Diese neuen Erfahrungen sollten das enthalten, was in den bisherigen Erfahrungen fehlte. So entstehen neue neuronale Verknüpfungen, die an den alten Erfahrungen vorbei wirken und diese gleichzeitig hemmen.

Was bedeutet das im konkreten Fall?

Unser Beispiel-Mann benennt, welche Erfahrungen ihm fehlten. Die Suche nach seinen Sehnsüchten führt uns zu einer Lebensphantasie, in der Ruhe und Frieden herrscht, er sich als Teil einer Gemeinschaft fühlt und darin auch Verantwortung entsprechend seiner Fähigkeiten übernimmt. Es fällt ihm zum Beispiel leicht, auch in komplexen Situationen schnell einen Überblick zu bekommen. Wir vermuten, dass er neben seiner ängstlichen Mutter lernte, gegebene Sicherheit und Schutzmöglichkeiten zu sehen und die Mutter damit zu beruhigen. Hier hatte er also viel zu früh eine erwachsene Rolle übernommen und die Zuständigkeit mit der Mutter getauscht. Dies hatte die Mutter zwar für sich genutzt, es aber nie wirklich anerkannt. Daher fehlt es ihm, auch in seiner Führungsqualität gesehen zu werden.  Zusammengefasst ergibt sich, dass es ihm fehlt, sich als wertvoller Teil einer Gemeinschaft zu fühlen, darin Verantwortung zu übernehmen und angemessene Beachtung zu erleben.

Dies ist seine individuelle Schlüssel-Information, die zum Ausgangspunkt für seine neuen Erfahrungen werden soll. Jetzt geht es darum, diesen Schlüssel zu verwenden.

Es folgt etwas überraschend Einfaches. Den meisten Menschen ist es daher auf Anhieb möglich, diesen Schritt zu gehen. Die Aufgabe besteht darin, in sich zu gehen und eine Fantasie zu entfalten, in der man genau das erlebt, was im eigenen Leben bisher fehlte. Im konkreten Beispiel fantasiert sich der Mann in eine Gemeinschaft in der er Verantwortung hat und beachtet wird. Dabei soll er beachten, sich nicht ablenken zu lassen und innerlich in Probleme abzugleiten. Sollte irgendeine Person nicht in diese Gemeinschaft hineinpassen, wird sie einfach ausgewechselt. Ergeben sich Schwierigkeiten in der Fantasie, wird diese neue aufgebaut. So, dass diese Schwierigkeiten nicht entstehen können. Es ist wichtig, sich klar zu machen, dass man darin vollkommen frei ist und dass das einzige Ziel ist, die Gefühle zu erleben, die entstehen, wenn endlich das da ist, wonach man sich so lange gesehnt hat. Dieses Gefühl hat eine heilende Wirkung. Es öffnet Türen in ein anderes und vermutlich besseres Leben.

Die Fantasien sind nur ein erster Schritt. Sie sollen wiederholt und auf- und ausgebaut werden. Sie dienen als Vorlage für Erfahrungen in der Wirklichkeit. „Wo finden Sie solche Gefühle noch in Ihrem Leben“, lautet vielleicht die Frage oder als Aufforderung: „Suchen Sie solches Erleben.“

Manche schaffen diese Fantasien zunächst nur mit dem Therapeuten und kriegen es allein noch nicht hin. Haben Sie keinen Therapeuten, der das mit Ihnen machen kann? Nehmen Sie einen Freund oder Freundin als Ersatz. Das wirkt manchmal sogar noch besser.

Das obenstehende Foto ist von Marcin Wicharyaus von der Webseite pixabay.com. Vielen Dank an den Fotografen.

Die Vergangenheit in der Gegenwart bewältigen

„Carpe diem“, nutze den Tag, ist ein Appell daran, sich nicht über Vergangenheit zu beklagen oder auf eine andere Zukunft zu hoffen, sondern den Augenblick zu nutzen. Das Jetzt zu nutzen, weil es der einzige Zugriffspunkt auf das eigene Schicksal ist. Die Vergangenheit kann nicht geändert werden und auch die Zukunft bietet keinen Handlungsspielraum. Die Frage ist, was kann ich jetzt tun, wenn ich unter meiner Vergangenheit leide und meine Zukunft vielleicht genau so sein wird…wenn ich nichts verändere.

Man kann die Vergangenheit nicht einfach beiseiteschieben. Probleme der Gegenwart sind in der Vergangenheit begründet und deshalb darf diese nicht verdrängt, sondern muss verarbeitet werden. Da wir die Vergangenheit selber nicht ändern können, sondern nur ihre Folgen, sind wir schon wieder in der Gegenwart, in der wir diese Folgen merken. Vergangenheit verarbeiten findet also in der Gegenwart statt und hat dabei die Gegenwartsprobleme im Focus. So gesehen ist Vergangenheitsbewältigung etwas sehr konstruktives und zeigt unmittelbar im Jetzt Ergebnisse.

Also müssen wir uns nur um unsere Gegenwartsprobleme kümmern? Tun wir das nicht sowieso schon? Was ist der Unterschied? Der besteht darin, dass wir unsere Gegenwartsprobleme als eine Folge unserer eigenen Geschichte verstehen müssen. Vielen ist dies nicht ansatzweise klar. Sie verstehen ihre Probleme als Pech, Schicksal, Gott gegeben oder „so ist es eben“ und sehen keinen Zusammenhang zur eigenen Person.

Das ist mit unserer Vorstellung von der Welt zu erklären. Wir gehen davon aus, dass diese Welt so ist, wie sie ist und dass unsere Wahrnehmung uns einen Ausschnitt von dieser „Wahrheit“ vermittelt.

Tatsächlich ist die uns als objektiv erscheinende Wirklichkeit  in „ Wahrheit von uns selbst erzeugt; wir können die Welt nicht einfach auf direktem Weg bewusst erleben. Sie wird von unserem Gehirn zuerst in neuronale Elementarereignisse zerlegt und dann neu zusammengesetzt. Das so entstandene, extrem verkürzte Bild von der Wirklichkeit ist notwendig, denn ohne es wären wir gar nicht handlungsfähig. Um so schnell zu reagieren, wie das Leben es verlangt, müssen wir – das hat uns die Evolution gelehrt – auf Genauigkeit verzichten. Unsere Blindheit für Details ist also ungemein nützlich“, sagt Udo Boessmann, in einer Zusammenfassung seines Buches Bewusstsein – Unbewusstes. Das im Hirn zusammengesetzte Bild lehnt sich an bereits gemachte Erfahrungen an. Auch dies dient der Vereinfachung. Es kann aber auch zu viel Leid führen, wenn beim Erzeugen der eigenen Wirklichkeitsillusionen Negativerfahrungen der eigenen Geschichte als Vorlage dienen. Doppelt belastend wird das Ganze, wenn das Produkt als die wirkliche Wirklichkeit verstanden wird.

Wer die Eigenbeteiligung nicht kennt, kann die Begebenheiten dann nur als Pech oder Schicksal verstehen und wird damit zum Spielball des Geschehens im eigenen Kopf. Denn wird es nicht unterbrochen, wird es sich immer wiederholen. Mancher merkt mit Glück nach der dritten Beziehung mit ähnlichen Problemen, dass es etwas mit der eigenen Person zu tun hat und nicht einfach nur Pech bei der Partnerwahl war.

Da die Vergangenheit nicht zu ändern ist, muss man in der Gegenwart Erfahrungen suchen, die das bringen, was damals fehlte. Fehlten damals Erfahrungen von Verlässlichkeit, geht es darum diese Qualität in das gegenwärtige Leben zu bringen. Dies ist nicht immer einfach, weil man ja darin geübt ist ohne verlässliche Umgebung zu leben. Das andere muss erst geübt und gelernt werden, aber mit ein bisschen Entschlossenheit ist das machbar. Man fängt zum Beispiel damit an, diesen Gedanken immer wie ein Mantra zu sprechen: Ab heute lerne ich Verlässlichkeit zu entdecken und sie, da wo ich sie finde, auch anzunehmen und zu genießen. Es geht also um bewusstes entdecken und wahrnehmen von Beziehungen auf die man sich vielleicht schon immer verlassen konnte. Darum wahrzunehmen wo sich im eigenen Leben Menschen, Umstände und Bedingungen finden, die Kontinuität bieten. Die dann da sind wenn man sie braucht, denen man also vertrauen kann. Jetzt muss man nur noch eine Weile dranbleiben. Das was die eigenen Eltern nicht geben konnten, wird zur eigenen Aufgabe des Erwachsenen. Fehlt Verlassenheit, dann hilft es auch, sich selbst ein verlässlicher Begleiter zu sein – so etwas wie  ein guter Vater oder Mutter. Also für sich zu sorgen, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen und sich zu lieben, egal wie man gerade drauf ist.

Es braucht ein bisschen Zeit dem eigenen Unbewussten etwas Neues beizubringen. Hier geht es nicht nur um Stunden oder Tage, sondern eher um Wochen oder Monate. Manche brauchen für so ein Vorhaben einen Therapeuten, aber viele könnten es auch allein oder mit Hilfe von Freunden, Bekannten oder Selbsthilfezirkeln schaffen, diesen Schritt zu gehen.

Erwachsene mit Kindern haben hier einen Vorteil. Denn oft geben sie diesen das, was Ihnen selber fehlte. Damit ist diese Qualität schon in ihrem Leben, sie müssen sie nur auch auf sich selbst erweitern. Denn wenn ich meinem Kind verlässliche Liebe gebe, bin ich selber bereits ein Teil dieses Netzwerkes von Verlässlichkeit. Ich muss es mir nur bewusst machen und kann dann sofort ebenfalls davon profitieren. Einzige Hürde: ich muss es mir auch selber wert sein. Aber auch das kann man lernen.

Das obenstehende Foto ist aus http://pixabay.com/de/termin-uhr-countdown-frist-15979/ Vielen Dank an den Fotografen

Psychotherapeuten – Die Helfer vergessen sich selbst

18.04.15
Ich war in dieser Woche auf einer Psychotherapietagung im schönen Lindau am Bodensee und habe dort Informationen über uns Psychotherapeuten gehört, die mir zwar neu waren, mich aber nicht wirklich erstaunten.

Weil Psychotherapie von Erfahrung lebt, arbeiten viele Psychotherapeuten länger als bis zum 65. Lebensjahr. Auffällig ist, dass alte Psychotherapeuten in der Statistik deutlich kranker sind als die Durchschnitts-Bevölkerung. Dies betrifft das ganze Spektrum von Krankheiten, einschließlich seelischer Erkrankungen. Psychotherapeuten bringen also Anderen bei, ein gutes Leben zu führen, versagen aber dabei, dies auch für sich selbst zu realisieren. Über die Hintergründe hörte ich verschiedene Vermutungen.

Eine Annahme war, dass Psychotherapeuten zu viel arbeiten, weil sie für ihre Arbeit zu wenig Geld bekommen. Ich kann dieses Argument nicht gelten lassen, weil wir unseren Patienten beibringen, dass man auch mit weniger ein gutes Leben führen kann, wenn man weiß wie es geht. Ein anderer Grund könnte sein, dass viele Therapeuten ihren Beruf gewählt haben, weil sie neben dem Wunsch anderen zu helfen auch für eigene Lebenslasten Lösungen suchten. Für mich selbst trifft das sicher zu. In ihrer Ausbildung haben sie dann gelernt wie man seelische Not lindert, aber vergessen, das alles auch für die eigene Person zu verwenden.

Ich halte Psychotherapie für ein großartiges Instrument zur Veränderung. Die meisten Psychotherapeuten können damit sehr geübt umgehen. Aber aus irgendeinem Grund verwenden sie es nicht für die eigene Person. Woran liegt das?

In einem Vortrag am letzten Tage des Kongresses äußerte ein hochrangiger Psychotherapie-Wissenschaftler und -Praktiker (Privatdozent Dr. med. Wolfgang Wöller), dass Psychotherapeuten sich mehr vor Augen halten sollten, dass das eigene Unbewusste bestimmt, wie das Leben läuft. Erstaunlich, dass man dies langjährig praktizierenden Fachleuten für die menschliche Psyche überhaupt sagen muss. Aber offenbar ist die Tragweite dieses Wissens noch nicht mal bei den Profis angekommen, die sich tagtäglich damit auseinandersetzen.

Ich nehme dies als Beleg dafür, wie penetrant unbewusstes das Leben dominiert.

Es lief ungefähr so: Der -statistisch gemittelte- Psychotherapeut hat schon als Kind gelernt, anderen mehr zu geben als sich selbst und hinsichtlich Gesundheit, Glück und Lebenszufriedenheit weniger nehmen zu dürfen. Und weil er sich nie bewusst machte, wie ihn diese „Lebensweisheit“ bestimmt, hat er auch nie was dagegen unternommen… oder das was er unternommen hat, war nicht wirkungsvoll, weil er seinen „Gegner“ falsch einschätzte.

Wer glaubt, mit ein paar klugen Gedanken alles zu richten, ist auf dem Holzweg. Unbewusste Strukturen zu beeinflussen, braucht wiederholte, gefühlvolle, neue Lebenserfahrungen und angemessen Zeit für die innere Neuausrichtung.

Ostern – jede Menge Zeit zu streiten…

Na, zu Ostern wieder in die Haare gekriegt?

Statistisch ist es mit den Streitereien ähnlich wie an anderen hohen Feiertagen. Viele Paare geraten aneinander. Warum ist das so?

Weil die Erwartungen nach Harmonie und einem guten Miteinander an den Feiertagen besonders hoch sind. Viele wollen in der kleinen Auszeit etwas von dem bekommen, was im Alltag fehlt oder zu wenig da ist. Leicht zu erklären mit stressigen Arbeitstagen, vollgestopftem Alltag und gehetztem aneinander vorbei sprinten.

Wenn beide Seiten aber so hohe Erwartungen haben, wieso gelingt es dann nicht? Vielleicht weil beide etwas Anderes erwarten? Aber so verschieden kann es doch gar nicht sein, Frieden und Harmonie wollen doch alle? Aber im Detail ist es eben doch verschieden, wenn sie einen Osterspaziergang machen möchte und er unter Frieden und Harmonie versteht, sich ganz friedlich in seiner Werkstatt zurückzuziehen und ganz harmonisch das Motorrad zu reparieren. Aber auch in so einem Fall könnte man sich doch einigen, vielleicht ein Nacheinander installieren? Wieso finden so viele keine Lösung?

Ich würde das Thema nicht an dieser Stelle, in diesem Blog erwähnen, wenn das Problem nicht etwas mit dem Unbewussten zu tun hätte. Denn das, was letztlich zum Streit führt, sind nicht die bewussten (formuliert oder gedacht) Erwartungen, sondern unbewusste Themen. Solche, die beide schon aus ihrer Kindheit mitbringen. Diese Themen haben etwas mit Umständen und Bedingungen zu tun, die in der Kindheit schwierig waren. Wo etwas zu viel, zu wenig oder unstimmig war und deshalb Spuren übrig blieben. Themen haben sich herauskristallisiert, welche das Kind und den daraus werdenden Erwachsenen seither begleiten.

Es ist nicht unbedingt notwendig, dass Sie, werter Leser, jetzt in ihre Geschichte zurückschauen. Natürlich kann es helfen, wenn Sie diese kennen und die sich daraus ergebenden Themen Ihnen schon vertraut sind. Aber dieser Blick zurück ist für eine Klärung nicht notwendig. Denn ein aus der eigenen Kindheit mitgebrachtes Thema – ich nenne es gerne Lebensthema – ist in der Gegenwart präsent. In jedem Streit, in jedem Problem ist es sichtbar. Sie brauchen also nur auf das zu hören was Sie selber sagen oder schreien und was Sie dabei erleben. Oder wenn Sie das Lebensthema Ihres Partners wissen wollen, hören und schauen Sie ihm zu.

Nehmen wir ein Beispiel:

Wenn sie zum Beispiel darüber klagt, dass er sie in ihrem Wunsch nach einem Osterspaziergang nicht ernst nimmt, ist das Thema dahinter – ganz einfach – das ernst genommen werden. Weitere Äußerungen geben noch mehr Klärung. Sagt sie zum Beispiel: „Nie nimmst du mich ernst“, dann berichtet sie von der Not, dass sie in ihrem Bemühen immer wieder scheitert. Hier taucht eine Vergeblichkeit auf, eine Sehnsucht danach, dass es endlich einmal anders ist. Die findet sich auch in: „nimm mich doch endlich mal ernst, nimm nicht immer nur deine Dinge wichtig, sieh mich doch auch einmal…“

Wer sich hier schon wieder erkennt, ist ein Stückchen weiter im Verständnis der eigenen Person. Das Lebensthema ernst genommen zu werden teilen viele Menschen und trotzdem brauchen alle etwas Anderes. Ich sage das, weil man hier sehr genau sein muss. Der erste Schritt – eine Ahnung vom Lebensthema zu bekommen – ist nur ein Teil der Lösung. Hört man hier auf, hat man nichts gewonnen.

Der zweite Schritt besteht darin, eine positive Antwort auf das Lebensthema zu finden.

Hätte ich diese Frau in meiner Praxis, würde ich sie fragen, wie es sich anfühlt, wenn sie ernst genommen wird. Dabei ist es gleich, ob es ihr Mann ist, der das manchmal kann oder jemand anderes. Vielleicht kommen dann Berichte aus ganz anderen Umständen, mit anderen Menschen, aus dem Sport, Begegnungen mit Freunden, in der Freizeit oder der Arbeit. Sie soll sich erinnern, wie es sich anfühlt und damit bekommt das Begriff ernst genommen werden eine weitere Dimension. Jetzt werden die Worte vertieft durch das Erleben und die Gefühle. Viele teilen sich dieselben Worte für ihr Lebensthema. Wird dies aber mit dem Erleben verbunden, entsteht für jeden etwas Einmaliges. Diese einmalige Kombination bezeichne ich gerne als: den Schlüssel zum eigenen Unbewussten. Wenn sich unsere Beispielfrau in dieses Schlüsselerleben hinein begibt, erfährt sie Beruhigung und bekommt innerlich die Freiheit, ihre ehelichen Probleme weniger massiv zu erleben und sie vielleicht anders anzugehen. In der Psychotherapie bewirken ähnliche Prozesse Heilung.

Jetzt könnte man einwenden, dass diese erinnerten Situationen doch mit der Beziehung nichts zu tun haben. Unsere Frau könnte klagen: „Auch wenn ich das mit anderen erlebe, kriege ich es immer noch nicht von meinem Mann“.

An dieser Stelle gibt es einen wichtigen Punkt, der im Zusammenhang mit allen ehelichen Problemen und Streitereien unbedingt beachtet werden muss:

Für die Befriedigung der Erwartungen (Lebensthema), die beide Partner aus ihrer Kindheit mitbringen, ist nicht der Partner zuständig.

Dessen vermeintliches Versagen scheint die Ursache von Enttäuschungen und Stress zu sein, ist es aber nicht. Für die Frau in unserem Beispiel heißt die Aufgabe, zunächst selber zu lernen, das ernst Genommen zu werden in ihr Leben zu holen. Sie ist diejenige, die es noch nicht kann. Zwar schon mit Freunden, aber eben noch nicht mit einem Partner bzw. noch nicht in den Situationen, die ihr selber wichtig sind.

Mal angenommen sie lernt, ernst genommen zu werden, dann wird es faszinierend zu beobachten, wie ihr Partner ganz von alleine andere Seiten zeigt.

Nur die Partner, die es dann immer noch nicht können, muss man sich zur Brust nehmen bzw. darüber nachdenken, sich vielleicht zu verändern.

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Zu kompakt? In meinem Buch Streitpaare steht dies und viel mehr auf als 200 Seiten. www.streitpaare.de Wer sich das Thema ausführlich erlesen möchte, kann sich mein Buch Streitpaare bei seinem Lieblingsbuchhändler bestellen und dann in aller Ruhe herausfinden, wie man die eigene Beziehung befrieden kann.
Im Buch ist alles zu finden, was man für ein friedliches, harmonisches und gemeinsames Fest braucht. Für dieses Ostern ist es vielleicht schon zu spät, aber das nächste Fest kommt bestimmt!

Das eigene Unbewusste beeinflussen…

Ich habe den Titel dieses Blogs jetzt erweitert. Er heißt jetzt, „über das Unbewusste und wie man es beeinflussen kann“. Als Psychotherapeut möchte ich Menschen nicht frustrieren und zum Aufgeben nötigen, sondern ihnen dabei helfen aus ihrer Misere zu kommen und positive Veränderungen zu erreichen.  Also will ich mal etwas konstruktiver werden.

Wenn man sein eigenes Unbewusstes beeinflussen möchte, ist es ein bisschen wie in einem Krieg mit einem übermächtigen Gegner. Dieser hat einen allgegenwärtigen Überwachungsapparat und ist immer einen Schritt voraus. Wenn man ihn nicht genau studiert und seine Strategien und Schwachstellen nicht kennt, hat man kaum eine Chance. Wie viele Ratgeber haben Sie schon gelesen, ohne dass sich etwas in ihrem Leben verändert hat? Auch wenn die dort dargebotenen Ratschläge wohlüberlegt und in der Praxis anderer Menschen vielleicht auch effektiv waren, gehen sie dennoch an der Realität der meisten Leser vorbei. Jeder Mensch ist einmalig, es gibt keine Kopie. Auch die individuellen Lebenserfahrungen jedes einzelnen sind genauso einmalig. Da das Unbewusste aus diesen Lebenserfahrungen heraus seine Leitlinien entwickelt, ist jedes Unbewusste verschieden. Oder in einem anderen Bild, es ist eine individuell geschriebene Software, die man nur bedienen kann, wenn man sie kennt. Kennt man die Software einer Person, weiß man noch nichts über die von anderen.

Aha, da ist also die erste konkrete Aufgabe: das eigene Unbewusste studieren, herausbekommen was es will und wie es das zu erreichen versucht.

Nehmen wir mal einen Raucher, der vielleicht schon seit längerem versucht, sich sein Laster abzugewöhnen. Wenn er es jetzt noch nicht geschafft hat (mal angenommen er hat es versucht), hat er vermutlich seine eigene unbewusste Programmierung noch nicht verstanden.

Wie erkennt man die eigene unbewusste Programmierung? Durch Beobachtung dessen, was tatsächlich geschieht. Da das Unbewusste die stärkere Instanz ist und vom Hintergrund aus das Geschehen steuert, kann man am Geschehen die Wirkung des Unbewussten ablesen. Je mehr Informationen man abgreift, umso genauer wird das Bild werden. Unser Raucher müsste anfangen sein Rauchverhalten zu beobachten. Er sollte sich selbst solche Fragen stellen wie: Wann greife ich zur Zigarette? Was erlebe/fühle ich bevor ich das Bedürfnis spüre? Was macht das Rauchen mit mir – wie verändert sich mein Erleben und Fühlen?

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Bild: Barbara Eckholdt  / pixelio.de

In einem konkreten Fall in meiner Praxis konnte eine Raucherin erschließen, dass ihre Zigarette ihr die Erlaubnis gab, sich mal eine kleine Auszeit zu erlauben. Nur wenn sie eine Zigarette in der Hand hatte, ließen ihre drei Kinder sie für einen Moment in Ruhe. Alle hatten gelernt, dass jetzt nichts zu machen ist. „Mama raucht“, war gleichbedeutend mit: „Wir müssen uns jetzt alleine behelfen oder ein paar Minuten warten, bis wir sie weiter nerven dürfen“.

Natürlich hatte sie dies schon immer gewusst, aber sie hatte immer gedacht, dass das irgendwie auch ohne Zigarette geht. Ihrem Unbewussten war aber klar, dass sie über keine andere Möglichkeit verfügt, sich mal eine Auszeit zu verschaffen.

Erst die genaue Betrachtung machte ihr klar, wofür die Zigarette stand und, dass sie kein anderes Mittel hatte, ihren Kindern eine Grenze zu verdeutlichen. Sie hatte es ihnen nie beigebracht. Wir kriegten auch schnell heraus, warum das nie geschehen war. Sie hatte Schuldgefühle, für ihre Kinder nicht genug dazu sein. „Die haben ein Recht auf mich und das kann ich Ihnen nicht absprechen. Ich weiß wie es ist, wenn die eigene Mutter nie zur Verfügung steht.“ Sie selber war mit einer Mutter groß geworden, die viel zu selten präsent war. Und wenn sie da war, war sie immer beschäftigt. Weil sie das ihren Kindern nicht zumuten wollte, hatte sie es sich zum Prinzip gemacht, immer zur Verfügung zu stehen.

Aber weil das kein Mensch energetisch durchsteht hat ihr Unbewusstes mit Hilfe der Zigarette eine Notlösung gefunden, die keinen Konflikt mit den inneren Überzeugungen auslöste.

Nachdem sie das Ganze verstanden hatte, konnte sie zustimmen, dass ihre ansonsten wohl versorgten Kinder auch Grenzen ertragen können. Danach war es kein Problem mit diesen entsprechende Verabredungen zu treffen. Fast gleichzeitig konnte sie auf das Rauchen endgültig verzichten.

Ich bleibe dran…

Zeitumstellung und das Unbewusste…

Getriebe

Hat die heute, am 29. März stattfindende Zeitumstellung etwas mit meinem Thema „über das unbewusste“ zu tun? Ja, finde ich! Die Zeitumstellung ist für mich ein Beleg für die noch immer herrschende Überzeugung, dass es uns dient, wenn wir uns auf unsere rationale Logik verlassen. Jeder Mensch, der in Kontakt mit seiner Intuition ist – und die könnte man durchaus auch als Unbewusstes benennen – würde niemals etwas derartiges, wie diese Sommerzeit-Anpassung installieren. Es ist die Arroganz der Ratio, die so etwas zustande bringt. Selbstverständlich gibt es Argumente dafür. Die haben aber alle etwas mit Zeitmanagement, Leistungsverbesserung, Ökonomisierung und Ähnlichem zu tun. Die gegebene Helligkeit besser auszunutzen, weniger Energie für Beleuchtung etc. zu brauchen.

Der Mensch ist ein zutiefst rhythmisches Wesen. Wir atmen in einem, an unseren jeweiligen Aktivitätsstatus, genau angepassten Atemrhythmus. Unser Herz schlägt genauso angepasst an das, was wir gerade tun. Darüber hinaus schlafen wir in einem Rhythmus, der etwas mit der Geschwindigkeit der Drehung der Erde zu tun hat. So wie die Meere sich im Takt der Bewegung von Sonne und Mond und Erde heben und senken, so wirken diese Kräfte auch auf jeden einzelnen. Das alles hat sich im Laufe von 100-tausenden von Jahren eingependelt. Wenn wir jetzt daherkommen und in dieses feine System mit einem groben Hebel hinein wirken und von einem Tag auf den anderen 1 Stunde hinaus und später wieder hinein drücken, hat das nichts mehr mit Natur und körperlich/seelischer Stimmigkeit zu tun. Es ist genauso entfremdet, wie beispielsweise die Schichtarbeit. Es gibt kaum ein effektiveres Mittel, Menschen energetisch auszubluten. Ein Schichtarbeiter, der dies noch nicht bei sich bemerkt, ist entweder sehr jung und verfügt damit über scheinbar unerschöpfliche Kraftreserven oder macht diese Art der Arbeit noch nicht lange mit.

Ich bemerke bei mir selber schon seit vielen Jahren, dass diese Zeitumstellung tief in meine körperliche und seelische Selbstregulation eingreift. Ich brauche eine Woche oder mehr, um mich neu zu justieren und mit jedem Lebensjahr wird diese Zeit etwas länger. Von vielen in meiner Umgebung habe ich Ähnliches gehört und aktuell steht in der Zeitung, dass etwa 50 % diese Zeitumstellung nicht mehr wollen und in einem anderen Medium habe ich sogar eine Zahl von 75 % wahrgenommen. Warum haben wir nicht längst eingegriffen und sind wieder zur natürlichen, kontinuierlichen Veränderung des Sonnenstandes zurückgekehrt. Ich denke, weil in unserer Gesellschaft nach wie vor Kräfte regieren, denen alles andere wichtiger ist als das, was wir von Natur aus sind.

Dazu passt, dass mir gerade ein Vortrag über die Giftigkeit von Plastik und WLAN begegnet ist. Auch hier konstruieren wir uns eine Welt, die uns früher oder später umbringt, sollte uns die Anpassung an die mehr und mehr lebensfeindlichen Umweltbedingungen nicht gelingen.

Schon öfter benannt, wiederhole ich es dennoch: Jüngere neuro-wissenschaftliche Untersuchungen zeigten, dass das Bewusstsein nur eine nachgeordnete Instanz ist. Tatsächlich entscheidet im überwiegenden Fall das Unbewusste wo lang es gehen soll.

Wenn das, was wir mit vermeintlicher Ratio vermeintlich entscheiden, tatsächlich einer unbewussten Leitlinie folgt, wirft dies ein interessantes Licht auf diese Leitlinie. Wo strebt diese eigentlich hin?

In der Psychotherapie erschließen wir das Unbewusste einer Person, indem wir auf ihre unmittelbare Vergangenheit und Gegenwart schauen. Das was wir dort fort finden, war das, was das Unbewusste wollte. Vielleicht gilt das auch für eine ganze Gesellschaft. Das Ergebnis wäre erschreckend. Denn tatsächlich leben wir als Gesellschaft entfremdet von Körper und Seele und zeigen eine deutliche Tendenz uns die Lebensgrundlage zu nehmen. Energievorräte werden rasant verbraucht und Umwelt wird ebenso rasant zerstört.

Diese Tendenz ist noch immer ungebrochen, auch wenn es hier und da Gegenbewegungen bzw. Bremsmanöver gibt. Haben wir also unbewusst die Nase voll von diesem Sein? Sind wir schon auf dem Wege ins Aus?

Wenn das so ist, wird es Zeit Möglichkeiten zu finden, dieses gesellschaftliche Unbewusste zu verändern. Wenn es die Summe des Unbewussten jedes einzelnen Menschen ist, liegt es auch in der Hand jedes einzelnen. Was ist also zu tun?

Ich bleibe dran…

Foto: hrohmann, „Getriebe“, CC-Lizenz (BY 2.0)
http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/de/deed.de
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